Bemerkung zum Thema "Hypnose und Schizophrenie"

  • Hallo zusammen, bei Personen, die an einer Psychose leiden, ist für den Hypnotiseur zweifellos größte Vorsicht geboten. In Deutschland dürfen ohnehin nur Ärzte und Psychotherapeuten psychotische Störungen behandeln. Und auch bzgl. nicht-therapeutische Formen der Hypnose ist sicherlich Zurückhaltung angebracht, schon aus Gründen des Selbstschutzes. Dies ausdrücklich vorausgeschickt habe ich aber das Gefühl, dass hier in Deutschland doch etwas übertrieben wird, wenn oft betont wird, wie gefährlich die Hypnose angeblich für psychotische oder psychosegefährdete Personen sei. Die Gründe, die für die angebliche Schädlichkeit der Hypnose bei Schizophrenie angeführt werden, sind ziemlich schwach. Es wird dazu auf seltene Einzelfälle verwiesen, bei denen eine mit Hypnose behandelte Person psychotisch wurde, ohne dass jedoch überzeugend gezeigt worden wäre, dass die Hypnose wesentlich zu dieser ungünstigen Entwicklung beigetragen hätte. Und es werden sehr spekulative Argumente vorgebracht, die jedoch leicht zu erschüttern sind. Um die Gefährlichkeit der Hypnose für psychotische Personen zu belegen, bedürfte es systematischer kontrollierter Studien, die einen negativen Effekt zeigen. Solche Studien mit negativem Ergebnis existieren jedoch nicht. Im Gegenteil: Für die Cochrane Collaboration haben A. Izquierdo de Santiago und M. Khan die verfügbaren kontrollierten Studien, in denen hospitalisierte Schizophrene mithilfe von Hypnose behandelt wurden, gesichtet. Sie kommen dabei zum Ergebnis, dass diese Studien zwar schlecht gemacht und veraltet sind, dass sie aber im Zweifelsfall darauf hindeuten, dass Hypnose wenigstens verträglich ist und eventuell sogar nützlich sein könnte. Für einen Kurz-Überblick siehe: http://www. cochrane.org/CD004160/SCHIZ_hypnosis-for-schizophrenia (Bitte Leerzeichen entfernen) Und die offenbar einzige kontrollierte Studie, die die Wirkung von Hypnose (u.a.) auf Personen, die als "präpsychotisch" eingestuft wurden, untersuchte, geht in die gleiche Richtung. Ihre Autoren Faw, Sellers und Wilcox fassen die Ergebnisse wie folgt zusammen: [i]"Die negativen Effekte der Hypnose werden durch die in diesem Experiment gesammelten Daten widerlegt. Keine schädlichen Wirkungen wurden nach der Induktion der Hypnose festgestellt. Die als präpsychotisch betrachteten Personen erlitten keine nachteiligen Auswirkungen psychologischer Art im Vergleich zu einer Kontrollgruppe. Im Gegenteil wurden günstige Effekte festgestellt. Ziemlich durchgängig zeigten die hypnotisierten Gruppen einen größeren Rückgang von Verhaltensproblemen, als er zu erwarten gewesen wäre. Dieses Muster der Verbesserung bestand für normale Personen genauso wie für solche, die bis zu einem so hohen Grade desorganisiert waren, dass ein psychotischer Zusammenbruch drohte, oder dass suizidale Tendenzen bemerkt wurden."[/i] Die Verträglichkeit der Hypnose wird auch von führenden Hypnose-Experten bezeugt. Bereits in einem 1972 veröffentlichten Text hatte Jacob Conn festgestellt: [i]"Ich habe diese Sache [die Frage, ob die Hypnose psychotische Zusammenbrüche auslösen kann] mit einer Reihe von Klinikern diskutiert, darunter Erickson, Wolberg und Kline. Alle haben darin übereingestimmt, dass sich der psychotische Prozess langsam über einen Zeitraum von Jahren entwickelt, und dass er nicht durch eine oder mehrere hypnotische Erfahrungen ‘ausgelöst’ [precipitated] wird."[/i] Daran hat sich auch in der Zwischenzeit nichts geändert. Baker, Husley und Glenn veröffentlichten 1990 eine Umfrage, die zeigt, dass die meisten Hypnotherapeuten Hypnose auch bei Schizophrenie- und/oder Borderline-Patienten einsetzen; und gerade die in der Behandlung solcher Störungen und in der Hypnose geschulten Kliniker schätzen den Einsatz der Hypnotherapie in solchen Fällen. Auch heutzutage werden immer wieder in führenden Fachzeitschriften Artikel veröffentlicht, in denen ermutigende Fallschilderungen auftauchen, wie Personen mit psychotischer Störung erfolgreich mit Hypnose behandelt wurden. Tatsächlich könnte man mit guten Gründen fragen, ob nicht vielmehr der hochdosierte und lange anhaltende Einsatz von Neuroleptika mehr Bedenken hervorrufen sollte als die Hypnose. Warum wird in Deutschland dann oft - wenn auch nicht immer - betont, wie sehr psychotische oder psychosenahe Störungen angeblich Kontraindikationen für jede Form der Hypnose seien? Nun, ich werde den Verdacht nicht los, dass das insbesondere auch berufspolitische Gründe hat - dass man auf diese Weise die angebliche große potentielle Gefährlichkeit der Hypnose plausibel machen will. Sehr interessant ist übrigens auch ein online verfügbarer Beitrag von J. Murray-Jobsis, auf den hier noch für Interessierte hingewiesen sei. Murray-Jobsis, die sich intensiv mit diesen Fragen auseinandergesetzt hat, kommt zum Schluss, dass Hypnotherapie bei der Behandlung von Schizophrenie und schweren Persönlichkeitsstörungen sinnvoll eingesetzt werden kann. Die Vorsichtsmaßnahmen, die sie erwähnt, entsprechen im Wesentlichen dem, was allgemein bei der Psychotherapie entsprechender Störungen zu beachten ist. Sie schreibt: [i]"Die Mehrheit der experimentellen Forschungsstudien und klinischen Berichte heutzutage unterstützen die Schlussfolgerung, dass Patienten mit Psychose und Persönlichkeitsstörungen hypnotische Fähigkeiten besitzen und diese Fähigkeiten produktiv und sicher einsetzen können."[/i] Hier geht es zum Text: http:// empresa.rediris.es/pub/bscw.cgi/d4522498/Murray-Personality_psychotic_disorders.pdf (Leerzeichen bitte entfernen)
  • Hallo Miraculus, hallo an alle Leser, nun für mich ist diese Erkenntis nichts Neues. Allerdings wurde ich für diese Meinung vor nicht all zu langer Zeit kritisiert. Ich wäre verantwortungslos usw. Wenn wir jedoch unseren klaren Menschenverstand einsetzen, dann kann man auf gar kein anderes Ergebnis kommen. Ich glaube eher, dass das Problem bei manchen Patienten im Rapportaufbau liegt und in der akuten Phase der Zugang erschwert ist. Deshalb habe ich bei einem Klienten in der nicht akuten Phase einen Trigger gesetzt, der dann in der akuten Phase eingesetzt werden kann. Ich wünsche natürlich dem Klienten keine weitere akute Phase, aber wenn, dann werden wir sehen ob der Zugang vorhanden ist. LG Garry Moon
  • [u][/u]Hallo alle zusammen, [url='http://www.hypnoseausbildungscenter.de/user/115-miraculus/']@Miraculus[/url],@ Garry, stimme Euch voll zu. Natürlich sollte man, wenn es um Fälle geht, wo man Hypnose "eigentlich" nicht einsetzen soll, eine gewisse Vorsicht walten lassen. Möchte auch selbstverstänlich keinen fahrlässigen Umgang mit Hypnose bei solchen "kritischen" Fällen propagieren. Der Widerspruch liegt doch im Folgendem: Einmal wird Hypnose als absolut natürlicher Vorgang angesehen und propagiert und dann wird sie gleichzeitig bei bestimmten Personengruppen gewarnt oder für bedenklich angesehen. Wo ist hier die Logik? Habe mir für mich schon lange eine Theorie zurechtgelegt, die selbstverständlich auch falsch sein kann. Wahrscheinlich liegt eine Ursache bei der Meinung von Hypnotherapeuten, die Hypnose einseitig als [u]Therapie[/u] deklarieren und vor sog. Laien schützen wollen. Miraculus hat ja einen ähnlichen Gedanken angedeutet. Eine [u]andere[/u] Ursache könnte aber auch sein, dass diese (scheinbaren) Unverträglichkeiten speziell für die Showhypnose deklariert wurden. Dort könnte tatsächlich ein epileptischer Anfall (hat natürlich nichts mit Schizophrenie zu tun, aber auch da wird von Hypnose abgeraten) für den Showhypno äußerst unangenehm ist, gleichgültig ob die Hypnose diesen Schub ausgelöst hat oder nicht. Wie gesagt, ein verantwortungsvoller Umgang mit der Hypnose ist immer anzuraten, den Aufbau von Horrorszenarien sollte man man nicht unterstützen. MfG hypnofan
  • Hallo Hypnofan, das sind sehr gute Fragen bzw. Überlegungen. [i]"Der Widerspruch liegt doch im Folgendem: Einmal wird Hypnose als absolut natürlicher Vorgang angesehen und propagiert und dann wird sie gleichzeitig bei bestimmten Personengruppen gewarnt oder für bedenklich angesehen. Wo ist hier die Logik?"[/i] Das ist ein ganz kritischer Punkt. Eine Antwort ist nach meinem Dafürhalten die: Viele (nicht alle) Hypnotiseure neigen generell zu einer gewissen Widersprüchlichkeit, wenn es um Hypnose und Trance geht. Nach meinem Dafürhalten hat das damit zu tun, dass man mit dem Konzept "Trance" zu viel erklären möchte. Man will alles, was an der Hypnose "ungewöhnlich" ist, auf die Trance zurückführen. Trance ist aber natürlich. Also geht das nicht. So entsteht dann ein "doppelter" Trance- bzw. Hypnosebegriff: Einerseits wird Trance als völlig natürlich angesehen, andererseits aber eben doch nicht. So zumindest vermute ich es. [i]"Habe mir für mich schon lange eine Theorie zurechtgelegt, die selbstverständlich auch falsch sein kann. Wahrscheinlich liegt eine Ursache bei der Meinung von Hypnotherapeuten, die Hypnose einseitig als [u]Therapie[/u] deklarieren und vor sog. Laien schützen wollen. Miraculus hat ja einen ähnlichen Gedanken angedeutet."[/i] Nein, da hast Du völlig recht. Das ist ganz eindeutig wenigstens [i]eine[/i] Ursache. Ganz klar denken (bei Weitem) nicht alle Kliniker so, aber doch manche; und zwar insbesondere wohl auch viele berufspolitisch Engagierte. [i]"Eine [u]andere[/u] Ursache könnte aber auch sein, dass diese (scheinbaren) Unverträglichkeiten speziell für die Showhypnose deklariert wurden."[/i] Es wird zwar auch allgemein deklariert, aber natürlich gerne auch "mit speziellem Bezug zur Bühnenhypnose".