John M. Bramwell: Hypnotism

  • Hallo zusammen, gerne möchte ich hier auf ein sehr bemerkenswertes Buch von Bramwell aus dem Jahre 1903 aufmerksam machen, das nun auch online zugänglich ist, und das ich hier verlinken will, neben einem anderen Buch. Bramwell war ein englischer Arzt (1853-1925), und einer der Pioniere aus dem goldenen Zeitaler der Hypnose, dem Ende des 19. Jh. Persönlich reiste er nach Frankreich, um in der Schule von Nancy von Liébault und Bernheim, und auch in Paris, mehr über Hypnose zu lernen. Des Weiteren besuchte Bramwell Kliniken in Deutschland, Belgien, den Niederlanden, der Schweiz und Schweden, um sich fortzubilden. Auch war er mit heute kaum bekannten Schriften von Braid vertraut. Es ist lange her, dass ich in Bramwells Buch "Hypnotism: Its History, Practice, and Theory" geschmökert habe, und auch damals habe ich nicht alles konsequent durchgelesen. So kann ich jetzt nicht so viel zu Details sagen, auch wenn ich Bramwell für einen sehr guten Beobachter und Analytiker halte. Ich bin überzeugt, dass man selbst heute noch einiges von Bramwell lernen kann. Auf zwei Sektionen möchte ich aber besonders hinweisen: a) Bramwell berichtet von zwei Klassen von Patienten, die sehr unterschiedliche Grade der Suggestibilität zeigten: i) Die eine Gruppe bestand aus Personen, die ihn schon länger als Arzt hatten und kannten, noch bevor er mit Hypnose anfing. Zudem waren diese Personen seelisch gesund und unterzogen sich der Hypnose vor allem wegen Operationen und der der hypnotischen Anästhesie. Zu dieser Zeit war Hypnose auch kaum bekannt, und es existierten daher auch kaum Stereotypen. Bei diesen Patienten waren etwa 90% "tief hypnotisiert", wenn man hypnotische Halluzinationen als Kriterium heranzieht. Mehr als die Hälfte davon (fast 50% aller Patienten) erlebten eine spontane Amnesie. ii) Die zweite Gruppe bestand aus Personen, die von einer längeren Distanz zu ihm anreisten und ihn nicht weiter kannten. Viele waren seit langem (psychisch) krank. Unter diesen Umständen war die Anzahl der "tief Hypnotisierten" deulich geringer. Zudem war Bramwll inzwischen zu der Auffassung gelangt, dass das Herstellen eines tiefen hypnotischen Zustandes nicht für den Heilerfolg nötig iist, und entsprechend hatten sich seine Methoden verändert. Hier war der Anzahl "tief Hypnotisierter" dann nicht größer als bei anderen Hypnotiseuren auch. Bramwell beansprucht also keineswegs für sich, dass er ein besonders hervorragender Hypnotiseur war, sondern macht die Umstände für seinen Erfog in seiner Praxis in Goole mit seiner ersten Patientengruppe verantwortlich. Siehe insbesondere S.57, ff. & S.72, f. Die möglichen Implikationen dieser Beschreibungen sind für das Verständnis der Hypnose und der hypnotischen Suggestibilität bedeutend, sollen hier aber nicht weiter diskutiert werden. b) Besonders möchte ich auf Bramwells sehr reflektierte Diskussion des Themas "Hypnose und Gehorsam" aufmerksam machen. Das Kapitel ist bereits deswegen lesenswert, weil es interessante Detail-Beobachtungen zur Hypnose überhaupt enthält und beispielsweise Selbst-Zeugnise des subjektiven Erlebens Hypnotisierter "guter Somnambuler" beinhaltet. Bramwell selbst schildert eine erhebliche Anzahl eigener wie fremder sponataner Beobachtungen, und zudem eigene und fremde zielgerichteter Experimente zum Thema. Unter anderem umfassen dieser Schilderungen i) Fälle bei den ein bestimmtes Verhalten direkt befohlen wird, ohne Erzeugung von Halluzinationen oder anderen Veränderungen des Realitätsbezuges ; ii) Fälle, bei denen der Hypnotiseur Suggestionen gibt, damit ein akzeptables Verhalten als moralisch verwerflich erscheinen muss, und iii) Fälle, bei denen Suggestionen gegeben werden, die ein verwerfliches Verhalten für den Hypnotisierten als moralisch akzeptabel hinstellen sollen. Anders als viele Kollegen hat Bramwell sich nicht einfach darauf beschränkt, das Verhalten seiner Probanden zu beobachten und Schlüsse daraus zu ziehen, sondern, in den späteren Fällen, hat er seine Probanden zudem nach ihrer Wahrnehmung befragt; dies führte oft zu interessanten Resultaten und Einblicken, die Bramwell uns schildert. Bramwells Ausführungen sind von hohem Niveau und nehmen spätere Erkenntnisse der Hypnoseforschungvorweg. Das entsprechende Kapitel, das ich sehr zur Lektüre empfehle, geht ab S.314 richtig los und endet auf S. 331. Der Link zum Buch findet sich hier: http://ia600301.us.archive.org/34/items/hypnotismitshist00bram/hypnotismitshist00bram_bw.pdf Was Bramwells allgemeine Auffassungen zur Hypnose angeht, so haben sie sich, wenn ich das richtig sehe, von 1903 hin zu 1909 noch weiterentwickelt. Dies sieht man an einem anderen Buch, das allerdings inhaltlich weit knapper ist: "Hypnotism an Treatment by Suggestion". Bramwells Verständnis der Hypnose, das sich hier zeigt, ist m.E. DEUTLICH akkurater und fortschrittlicher als vieles, was man heutzutage üblicherweise hört und liest. Für Interessierte gebe ich auch dazu einen Link, nämlich zum besonders aufschlussreichen Kap. IX. (Die anderen kapitel sind auf derselben Seite zu finden.) http://www.themagicofyou.co.uk/resources/History-of-hypnosis-free-ebooks/Bramwell-history-of-hypnosis-ebook-9-Methods.php Wer sich genauer für Hypnose interessiert, und wen ein nicht allzu schwieriger englischer Text nicht abschreckt, dem seien aber besonders, wie schon gesagt, die Seiten 314-331 im zuerst verlinkten Buch anempfohlen. LG Miraculus