Seltsames zu Trancestadien

  • Hallo zusammen, durch ein anderes Thema bin ich auf folgenden Artikel gestoßen: blog.werner-eberwein.de/2011/04/was-ist-klassische-hypnose/ Ich möchte nur stellvertretend auf ihn hinweisen, weil er für mich ein typisches Beispiel einer Dartsellung ist, die nach meinem Dafürhalten zu Verwirrung und Mißverständnissen beitragen kann. Mir geht es dabei gar nicht um irgendwelche Details oder streitbare Thesen, sondern um Grundsätzliches. Unter "mittlerer Trance" heißt es etwa: "Die Präsenz des Hypnotiseurs als Person tritt allmählich in den Hintergrund und wird zeitweise nicht mehr bewusst wahrgenommen." Ein solches Phänomen ist doch selbst bei guten Subjekten nicht typisch und wenn schon deutlich eher bei der "tiefen Trance" zu verorten. Erst recht ist es nicht obligatorisch oder für eine "mittlere Trance" definierend. "Gleichzeitig übernehmen die Suggestionen stellvertretend die Kontrollfunktionen des Ich." Na, da haben die Suggestionen aber einiges zu tun! :) "In Tieftrance wird das Bewusstsein als 'leer', ohne Inhalt wahrgenommen, wie im traumlosen Tiefschlaf." Nun gibt es diese Erfahrung der Leere, aber hat mit Kategorien wie "Tiefschlaf" 8oder Koma) nichts, aber auch wirklich überhaupt nichts zu tun; vielmehr handelt es sich um ein BEWUSSTES Erleben, wie es auch in manchen Formen der Meditation angestrebt wird. Aber auch in "tiefer Trance" treten tritt ein Gefühl von völliger gedanklicher Leere nur bei einem Teil der Subjekte auf und hängt auch von der ARt der Hypnose mit ab. Die Aussage in dieser generellen Form ist m.E. irreleitend. "Der Hypnotisierte erinnert sich nachher an Teile der Trance oder an den gesamten Trance-Zeitraum nicht mehr, obwohl er währenddessen auf die Suggestionen des Therapeuten reagiert hat (möglicherweise sogar im Raum herumgegangen ist oder Fragen beantwortet hat – letzterer Zustand wird als 'Somnambulismus', d.h. als hypnotisches Schlafwandeln bezeichnet)." Auch die spontane posthypnotische Amnesie kann, muß aber keineswegs auftreten. Wie bereits anderswo gesagt erleben selbst die meisten "Hochsuggestiblen" in einem experimentellen Kontext keine spontane Amnesie, und sie eerleben sie nicht mehr als Personen mit geringerer Suggestibilität. (Bei Showhypnose und Therapie, oder wenn im Vorfeld entsprechende Erwartungen erzeugt wurden, sieht es etwas anders aus.) Daß Amnesie jedenfalls ein geradezu zwingendes und definierendes Merkmal "tiefer Trance" -was genau auch immer man darunter versteht - sein soll, erscheint mir als sehr fragliche Ausnhame. "Wenn der Patient in Tieftrance ruhig daliegt oder -sitzt, hinterher eine Amnesie für das Trancegeschehen hat und in Trance auf die Suggestionen des Hypnotiseurs reagiert hat, spricht man von 'hypnotischem Schlaf'" Wenn man das so benennen möchte.... Das Denkmodell hinter dieser Konzeption scheint mir klar zu sein, und es entspricht, wenn man "Trance" durch "Schlaf" ersetzt, den Vorstellungen des frühen Bernheim. Wenn jemand Amnesie hatte, so wurde geschlossen, daß er kein Bewußtsein in der entsprechenden Zeitperiode besessen hatte; daraus wurde gefolgert, daß diese Person dann tief geschlafen hat, und heute, daß sie in "tiefer Trance" war. Im Grunde wird Trance immer noch als Quasi-Schlaf betrachtet. Bernheim hat seine frühen Vorstellungen mit zunehmender alsbald korrigiert, so wie auch Braid, und wir wissen heute definitiv, daß Hypnose mit Schlaf nichts zu tun hat, und dennoch denken wir noch genau so wie der frühe Bernheim. Was in dem bewußten Artikel noch fehlt, wären die Aussagen, daß schwierige hypnotische Phänomene wie Halluzinationen eine "tiefe Trance" brauchen, daß die "Kritikfähigkeit" sich dort verabschiedet, und daß dieser Zustand mit absoluter Entspannung einhergeht. Oder, wie bestimmte Leute meinen: Daß das Bewußtsein selbst eingeschränkt ist (präkomatöser Zustand?). Nach meiner Überzeugung wird auf diese Weise ein völlig irreführendes Bild der Hypnose erzeugt. Denn der "Normalfall" ist doch, daß der Hypnotisierte, selbst wenn er die Hypnose intensiv erlebt und gut suggestibel ist, dem obigen Bild der "tiefen Tranc" keineswegs entspricht. Meistens ist der Hypnotisiert nicht in einem meditationsartigen Zustand der Leere und nicht "vollkommen entspannt", auch nicht "kritikunfähig", snoch unfähig zu spontanen Regungen, noch gar "bewußtlos" oder der Bewußtlosigkeit nahe. Wer sich an dem obigen Text orientiert, der müßte sogar zu dem Schluß kommen, daß er ein miserabler Hypnotiseur ist, weil die meisten seiner Klienten und Probanden ihn eben durchaus die ganze Zeit bewußt wahrnehmen - und nach der Definition dieses Textes dann noch nicht einmal mittel, sondern nur "leicht" hypnotisiert sind. Früher hatte ich gedacht, daß meine Probanden besonders sind: Ich konnte zwar bei vielen selbst schwierige hypnotische Phänoemene wie etwa visuelle Halluzinationen hervorrufen, aber diese Leute entsprachen dabei selbst im Fall formeller Hypnnose-Induktionen meist herzlich wenig dem, was in den meisten Büchern oder Internet-Artikeln als "tiefe Trance" beschrieben wird. Meine Leute waren bis zu einem gewissen Grade absorbiert und entspannt, manche mehr, manche weniger, ja, und sie hatten teilweise auch intensive Erlebnisse währnend der Hypnose....aber im Großen und Ganzen waren sie normale wache Personen. Ich dachte erst, das läge an mir: Ich vermutete, daß ich meine Hypnotisanden unbewußt eben in so eine Richtung beeinflußt habe, aufgrund meiner Einstellungen und Überzeugungen zur Hypnose. Als ich dann aber andere Hypnotiseure beobachtete und Erlebnisberichte von Personen hörte und las, die von andeen hypnotisiert worden waren, und indem insgesamt mein Wissen zunahm, wurde mir klar, daß ich keineswegs die große Ausnahme bin. Meine Probanden/Klienten verhalten sich absolut typisch und normal. Der Fehler liegt in den allergrößtenteils falschen Beschreibungen darüber, was angeblich (tiefe) Trance sein soll. Da die Menschen aber mehr dem glauben, was sie einmal gelernt haben als ihren eigenen Augen, bleiben sie auch bei dem fragwürdigen Bild der Hypnose. Mir ist dann auch zunehmend klar geworden, wie es zu manchen Diskussionen von Befürwortern und Kritikern "tiefer Trance" kam: Im Grunde waren die Probanden/Klienten beider Gruppen im Allgemeinen gleich "tief" hypnotisiert. Nun haben die einen aber Suggestibilitätsstests wie Halluzinationen und Amnesie durchgeführt und im Erfolgsfall geschlossen, daß ihre Klienten "in tiefer Trance" sein müssen. Die anderen higegen haben solche Tests nicht durchgeführt, sondern am Verhalten ihrer Probanden abgelesen, daß die offenbar in ziemlich normaler verfassung sind - und daraus abgeleitet, daß sie nicht "tief hypnotisiert" sein können. Ich lasse mich ggf. natürlich auch eines Besseren korrigieren: Gibt es hier jemanden, dessen Erfahrungen von meinen stark abweichen? Derzeit bin ich jedenfalls der Überzeugung, daß das, was nahezu überall über Hypnse und ihre Stadien zu lesen ist, schlicht und ergreifend ein Mißverständnis ist. LG Miraculus P.S.: Wenn das etwas provozierend sein sollte, nicht verübeln, aber ich will schließlich eine Diskussion in Gang bringen. :)
  • achtrag: Ebenfalls fragwürdig ist das, was die wikipedia zur "mittleren Trance" schreibt: http://de.wikipedia.org/wiki/Hypnotische_Trance#Stadien_der_Trance [quote]...der Körper wird partiell empfindungslos...[/quote] Empfindungslosigkeit kann, muß aber keineswegs auftreten und tritt nach eminer Erfahrung auch meistens nicht auf, wenn sie nicht suggeriert wurde. [quote]das Wachbewusstsein ist kaum noch aktiv.[/quote] Dann dürfte es wohl herzlich wenige geben, die auch nur diese mittlere Trance erreichen, denn normalerweise IST das Wachbewußtsein aktiv, auch wenn in einigen Fällen innere Ruhe und STille herrschen KANN, die aber wie gesagt überhaupt nichts mit Bewußtlosigkeit zu tun haben. [quote]Es werden alle Suggestionen angenommen, die nicht der Persönlichkeit des Probanden zuwiderlaufen,[/quote] Das würde wenn schon ja eher als Merkmal "tiefer" Trance gelten, aber selbst da tun Probanden nicht immer alles und KÖNNEn auch nicht immer jedes Phänomen erleben. [quote]auch totale Schmerzlosigkeit ist möglich.[/quote] Schön wärs. Antwort wieder einmal: Kann sein, muß aber nicht sein. Ich halte solche Definitionen für sehr bedenklich, denn wer so etwas liest, dann eine Hypnose mitmacht, ein "gutes" Subjekt ist, entspannt ist, vielleicht eine veränderte Körperwahrnehmung erlebt, sich wohlfühlt, störende Geräusche ausblendet, gut auf Suggestionen reagiert und interessante Dinge erlebt, aber dabei bei halbwegs klarem Bewußtsein war, der muß denken, daß er schlecht auf Hypnose regaiert hat! Denn laut diesen kuriosen Definitionen hat er es ja nicht mal in eine mittlere Trance geschafft!!