Hippolyte Bernheim: Die Suggestion und [...]

  • Hallo zusammen, eines der wichtigsten und besten Bücher, die je zur Hypnose geschrieben wurde: "Die Suggestion und ihre Heilwirkung" (dt. Titel) von Hippolyte Bernheim. Dieses Werk, das in den 1880ern entstand, war eines der wirkmächtigsten, vielleicht das wirkmächtigste überhaupt, was das allgemeine Verständnis der Hypnose angeht. Vor Jahren habe ich den ersten (non-klinischen) Teil gelesen. Die Übersetzung dieses ersten Teils, der die Hypnose an sich behandelt, stammt übrigens von Sigmund Freud. http:// ia600502.us.archive.org/4/items/diesuggestionund00bern/diesuggestionund00bern_bw.pdf (Leerzeichen entfernen) Niemand hat die Vorstellung der klassischen Hypnose vielleicht mehr beeinflusst als Bernheim. Obwohl auch Braid etwa mit zielgerichteten Suggestionen arbeitete, blieb dieser Teil seines Tuns weitgehend unbekannt. Es war Bernheim, der für die moderne Theorie und klinische Praxis der Hypnose steht, trotz mancher Modifikationen in gewissem Sinne bis heute. A. Weitzenhoffer etwa, einer der wichtigsten Hypnose-Experten des 20. Jhs., schrieb noch viele Jahrzenhnte später, dass wir vom Prinzip her immer noch Bernheims Methoden benutzen, da wir nichts Besseres als den von ihm beschriebenen Hypnose-Zustand gefunden hätten. Und die Einteilung der Stadien der Hypnose durch Bernheim beispielsweise entspricht im Wesentlichen noch den heutigen Vorstellungen. Bernheim selbst stand der Hypnose, wie Liébeault sie praktizierte, zuerst skeptisch gegenüber. Er schickte einen Patienten zu seinem Kollegen, um ihn als Scharlatan zu entlarven. Liébeault jedoch konnte dem Patienten helfen. Bernheim reagierte nun interessiert, was ja durchaus nicht selbstverständlich ist. Bereits relativ kurz später, etwa zwei Jahre danach, verfasste Berhnim bereits den ersten Teil dieses Buches, das als eines der besten überhaupt gilt. Besonders erwähnenswert ist die anschauliche Darstellung und Beschreibung mit vielen Fallbeispielen. Professor Bernheim gilt auch als Oberhaupt der sog. "Schule von Nancy", der Charcot und dessen Anhängern gegenüberstanden. Bernheim gelang es überzeugend, das seltsame, angeblich genuin hypnotische Verhalten von Charcots Patientinnen als Artefakt experimenteller Erwartungen und impliziter Suggestionen zu erklären. Bei allem Lob muss auch Kritik geübt werden. Den damals wohl üblichen Umgang mit Patienten kommentiere ich besser nicht. Aber Bernheim saß in einem wichtigen Punkt einem fachlichen Missverständnis auf: Er meinte, dass Hypnose eine Form des Schlafes sei, der in den tiefsten Stadien dem normalen Somnambulismus (Schlafwandeln) entspeche. Man hatte damals jedoch mechanistische Vorstellungen zum Schlafwandeln, und logischerweise übertrugen Liébeault und Bernheim die dann auf die Hypnose. Damit hängt ein wesentliches zweites Missverständnis zusammen, das die Natur der Suggestion betrifft. Bernheim sah im Reagieren auf die Suggestion einen automatischen Prozess, der dem willentlichen Handeln entgegengesetzt war. Diese Interpretation ist naheliegend, wenn man bedenkt, dass der Hypnotisierte sein Verhalten oftmals auf bewusster Ebene genau so erlebt. Und doch ist sie falsch. Auf diese Schwäche hatten bereits Zeitgenossen Bernheims hingewisen. Insbesondere Bramwell unterzog Bernheims Vorstellungen bereits 1903 einer eingehenden kritischen Analyse und arbeitet die Unhaltbarkeit solcher Vorstellungen mit verschiedenen Argumenten heraus: Hypnotisches Reagieren hat mit Absicht und Wollen zu tun, selbst wenn das "Subjekt" dies auf bewusster Ebene nicht immer erlebt. Siehe dazu insbesondere Kap. 12 seines Buches "Hypnotism", insbesondere ab S. 311 hier: http:// ia600301.us.archive.org/34/items/hypnotismitshist00bram/hypnotismitshist00bram_bw.pdf Leerzeichen entfernen). Dass - gerade am Anfang der Theoriebildung - auch Fehler vorkommen, ist jedoch natürlich, und mindert den Wert von Bernheims Arbeiten und den seines Buches nicht wesentlich. Dem interessierten Leser sei also das Schmökern darin recht herzlich empfohlen. LG Miraculus