Hypnosetiefe bei Therapien

  • Vor einigen Tagen hatte ich eine Diskussion mit einem Freund, welcher in England eine Hypnosetherapiepraxis unterhält, aber bereits seit vielen Jahren weltweit mit vielen neuen Hypnosen-Ideen unterwegs ist, diesbezügliche Seminare hält, Bücher und DVDs auf den Markt gebracht hat, Hypnose-TV-Shows produzierte und gemeinsam mit seinem Vater (20 Jahre Berufserfahrung als Hypnosetherapeut) seit längerer Zeit auch Hypnosetherapie-Seminare abhält ... also 2 Männer mit „Erfahrung“;) Die Frage war, WIE SEHR die Hypnosetiefe ausschlaggebend ist, um effektiv und nachhaltig „Veränderungen“ (bei Raucherentwöhnungen, Schmerzkontrollen, Phobien, Süchten, usw.) herbeizuführen. Jetzt mal „ganz einfach“ gesagt sind Vater und Sohn der Überzeugung, dass eine „leichte“ Hypnose bzw. eine entsprechende Kommunikation mit dem Unbewussten genügen .... „ich“ bin mehr der Meinung, dass bei einer tiefen Hypnose sämtliche Veränderungen nachhaltiger und stärker möglich sein müssten. So auf der Basis .... leichte Hypnose bzw. alleinige Kommunikation mit dem Unterbewussstein = Aktivierung der Selbstheilungskräfte, wie z.B. auch bei Placebos ..... tiefe Hypnose = Beeinflussung „stärker“ auch von aussen möglich, bzw. nachhaltigere Wirkung, wie z.B. auch bei allen posthypnotischen Befehlen. Denn .... wie wir doch auch aus der Showhypnose wissen ....kann ich bei Personen in einem „tieferen“ Zustand MEHR Phänomene demonstrieren als bei solchen, welche nur „halb“ weg sind. Also meine Vorgangsweise war bis dato einen so tiefen (suggestiblen) Zustand wie möglich zu erreichen .... und dann mit dem mir zur Verfügung stehenden Zustand so gut wie möglich zu arbeiten. Wobei ich beim Somnambulisten betreffend Veränderungen fast zaubern konnte.:laugh: Würde mich über Eure Meinung freuen! LG Willy
  • Hallo willy, für die Diskussion dieser Frage bräuchten wir eine (ungefähre) Definition von "Tiefe" (und eine Möglichkeit, sie im konkreten Fall zu "messen"). Du scheinst Tiefe weitgehend als Suggestibilität zu definieren, und das macht m.W. z.b. auch Banyan. Andere (zu denen auch Garry gehört) definieren Tiefe nicht als Suggestibilität, sondern eher als Dissoziation (mit anschließender Amnesie). Ich wage nun einfach mal den Versuch einer Antwort auf der Basis, wie ich Deine Frage verstehe und die Dinge beurteile, auch wenn andere deutlich mehr therapeutische Erfahrung besitzen: Wenn man "Tiefe" als eine Art "Beteiligung" des UBs auffaßt, als ein "Involviertsein" der Person in die Hypnose, deren Effekte u.a. in erhöhter Suggestibilität bestehen, dann denke ich, daß "Tiefe" nützlich ist. Teil einer so verstandenen "Tiefe" ist dann auch Rapport. Ich denke, so eine Art von "Tiefe" hat Bandler auch im Auge, wenn er sagt: [i]"Für mich ist das eigentlich das Wichtigste: Leute beginnen das Mögliche und das Unmögliche als nicht so weit auseinanderliegend zu sehen. Letztlich liegen "möglich" und "unmöglich" nur ein paar Synapsen auseinander. Und wenn man Leute in eine sehr tiefe Trance versetzt, dann beginnen sich die Spielregeln zu ändern. Wenn die Realität Dir sagt: das kannst Du nicht - dann geh einfach in eine tiefe Trance und mach es! Denn dann bist Du nicht mehr in der gleichen Realität. Vor dreissig Jahren hätte ich mir nie erträumt, dass die Resultate, die ich erzielte, möglich sind. Blindlings bin ich einfach vorgeprescht und wenn immer ich auf eine Hürde stiess, bin ich in eine noch tiefere Trance gegangen. Je grösser das Hindernis, umso tiefer die Trance und umso erstaunlicher die Resultate. Niemand ist mehr darüber erstaunt als ich, zu was die Menschen schliesslich fähig waren."[/i] http://www.nlp-institut.ch/index.php?id=30 Wenn man hingegen "Tiefe" alsstarke geistige Entspanuung oder gar als "Wegsein" (was immer genau das sein soll) definieren würde, dann würde ich Deinen englischen Kollegen recht geben.So was ist nach meiner Überzeugung nicht nötig. Klare Antwort also auf Deine Frage: "It depends..." :) Und zwar davon, was ich unter "Tiefe" ungefähr verstehe und was nicht....Viele Diskussionen zum Thema sind deshalb wenig fruchtbar, weil jeder etwas anderes unter "Tiefe" versteht und man so mit denselben Worten, aber verschiedenen Inhalten operiert... Ich hoffe, Du kannst irgendwas Sinnvolles aus dem Beitrag rausholen...;) LG Miraculus
  • Hallo Miraculus! Danke vorerst für dein Feedback. „Ja“, du hast vollkommen Recht. Mit dem Wort „TIEFE“ können offensichtlich nur alle zu hypnotisierenden Personen gut und problemlos umgehen :laugh: ... denn die Hypnotiseure selbst haben mit diesem Wort -obwohl es wohl von fast ALLEN verwendet wird- so ihre Auffassungsunterschiede :laugh: . Auch ich würde die TIEFE mit gesteigerter Suggestibilität „übersetzen“, glaube jedoch auch, dass bei einem SEHR gesteigerten Rapport meistens auch automatisch eine Dissoziation gegeben ist .... bzw, eine nicht suggerierte Amnesie sehr oft eine vorhandene Dissoziation bedingt, jedoch eine aktive Beteiligung des Unbewussten (z.B mit ideomotorischen Signalen) nicht ausschließt. Jaja .... bei solchen Diskussionen kann man schwindelig werden .... aber Hauptsache die Probanden „wissen“ was sie tun müssen, wenn "wir" sie auffordern „tiefer“ zu gehen ;) . LG Willy
  • Hallo willy, mit der Amnesie/Dissoziation weiß ich bis heute nicht, was ich denken soll. Ich würde vermuten, daß der Effekt zum großteil (aber nicht vollständig) ein Resultat der Erwartung ist. Diese Vermutung wurde bereits von Bramwell, einem der ganz frühen Pioniere, geäußert...Ich werde weiter unten ein paar Zitate, die ich bedenkenswert ist, reinstellen. Was spricht dafür, daß sie spontane posthypnotische Amnesie ein "Artefakt" der Erwartung ist? Zum einen kommt sie in der experimentellen Hypnose selten vor (nach einer TSudie 6-7%), [i][b]selbst dann[/b], wenn die Probanden sehr suggestibel sind und auch schwierige Phänomene wie Halluzinationen "hinbekommen"[/i]. Und wenn eine SPA auftritt, dann nicht nur bei den "Hochsuggestiblen", sondern auch bei den weniger Suggestiblen im selben Maße. Dann wurden Experimente gemacht, bei denen man manche Leute informiert hat, daß zur Hypnose eine SPA gehört; anderen wurde das Gegenteil gesagt. Je nachdem, was vermittelt wurde, gab es erhebliche Unterschiede bei den Resultaten. Noch interessanter ist dies: Unter denen, die glaubten, daß Hypnotisierte eine spontane Amnesie erleben, erlebten 75% eine; unter denen, die dies nicht glaubten, 0%. Falls es jemanden genauer interessiert: Der Showhypnotiseur Barry Jones faßt einige Forschungsergebnisse in seinem Blog zusammen: http://www.barryjones.com/blog/2009/08/posthypnotic-amnesia/ Mir ist klar, daß die SPA bei der Shwohypnose häufiger vorkommt, aber dies könnte auch an der speziellen Situation liegen. Und hier noch für Interessierte wie versprochen einige Anmerkungen von John M. Bramwell, die m.E. gut zum Thema passen, nämlich "Tiefe" allgemein und an einer Stelle auch SPA. Aus dem Buch "Hypnotism and Treatment by Suggestion" von 1909 (Pardon, wenn mir das zu übersetzen jetzt etwas zu viel ist). Hervorhebungen durch Miraculus: "Before describing my later methods, I wish again to draw attention to several points in connection with the so-called hypnotic state. As we have seen, the subject may have his eyes open; and act like a normal individual who is awake. In the lethargic condition, when he appears to be asleep, he still hears all that is said around him. Further, all the phenomena of so-called hypnosis can be induced in the waking state, without the patient having preliminarily passed through any condition resembling sleep. It is to Braid’s earlier work that we owe the theory that it was necessary to induce hypnosis before beginning treatment by suggestion. At first he regarded the condition as an artificial sleep, but pointed out later that only one in ten of those he cured passed into a state even superficially resembling sleep. He proposed, therefore, to abolish his entire terminology, as it misled the public, and made them believe they could not be cured by suggestion unless they had first been put to sleep. With the majority of Braid’s patients there was not even an apparent loss of consciousness—they simply became slightly drowsy, and afterwards remembered all that had happened—while, with others, hypnotic phenomena were induced, without any previous stage in any way resembling sleep. Further, in those cases where sleep had apparently been present, it could be proved that the condition was really a conscious one, as the recollection of all that had occurred could be evoked by suggestion." "Braid’s later observations passed unnoticed, and, until recent times, nearly all operators proceeded on his earlier lines. They suggested artificial sleep, lethargy or drowsiness, and then began treatment. [b]They did not recognise that the artificial or, more correctly speaking, imitation sleep was only one of the phenomena of increased suggestibility, due to suggestion. Given increased suggestibility, any of the phenomena of hypnosis might be evoked as readily as imitation sleep, and the patient cured just as easily when that state had been omitted.[/b]" "For many years, Liébeault’s methods were similar to Braid’s earlier ones, and he always tried to induce what he called sommeil provoque. Gradually the views of the Nancy School were modified till they resembled Braid’s later theories." "The essence of the whole condition, then, is an increased suggestibility; the production of a preliminary imitation sleep is not necessary, and is simply waste of time. In some instances, I tried to induce so-called hypnosis a hundred times before I succeeded. Now, with the method I shall presently describe, I commence curative treatment at once, and obtain quicker results." "Every stage of the so-called hypnotic condition is a conscious one. In some instances the subjects have their eyes open and are obviously wide awake, in others their eyes are closed and they appear to be asleep; but, even in the most profound condition, the sleep is only apparent, not real, as the subjects retain consciousness, volition and intelligence." "In what is described as the deepest stage — i.e. hypnotic somnambulism, followed by amnesia — when the state is terminated the patients believe they have been asleep, because they do not remember what has happened. This is equally true, whether they have been apparently asleep, or seemingly awake with their eyes open in the “alert“ stage. The lost memories of both stages can always be recalled in subsequent hypnosis. [b]Further, it is probable that the amnesia is an artificial one due to the suggestions of the operator.[/b]" "The condition — i.e. increased suggestibility — is sometimes preceded by drowsiness, but this is often absent, and the patients are voluntarily thinking of some restful monotonous subject during the whole process. Sometimes the patients’ minds are filled with the melancholy thoughts of neurasthenia, or obsessional fears; at others their attention is fixed on their hysterical convulsions or other uncontrollable muscular movements; but, despite this, increased suggestibility is frequently induced. Here there has been neither imitation sleep nor restful monotonous thought, but, nevertheless, brilliant therapeutic results are often obtained in such cases." "As the result of the methods I then used, the patients passed into a restful or drowsy condition and I made curative suggestions. The whole object of suggestive treatment ought to be, I repeat, the development of the patient’s will-power, and of his control of his own organism. That idea, and that alone, should be instilled into his brain, and no experiment, however trivial should be made which could possibly tend to make him believe that the operator was trying to dominate him." Das Ganze ist in einem freien Ebook nachzulesen: http://www.themagicofyou.co.uk/resources/History-of-hypnosis-free-ebooks/free-hypnosis-ebooks.php
  • Hallo zusammen, die Ansichten Bramwells sind natürlich auch nur eine mögliche Meinung von verschiedenen...ich möchte sie als bedenkenswert, aber nicht unbedingt als der Weisheit letzten Schluß darstellen. @ willy: Was mich mal interessiert hätte wäre, welche Methoden Du im Besonderen zur Vertiefung bzw. zur Suggestibilitätssteigerung einsetzt. Das wäre vielleicht überhaupt ein interessantes Thema. Wenn Du möchtest, könntest Du dazu vllt nen Thread starten, und das Forum könnte dann dazu diskutieren...B)